„Die Mundart ist das längst fällige Haar in der Suppe der Literatur.“
ohne meinä muddä iä schbrouch
kammi meim vaddä sei land
kreizweis
Wenn ein fränkischer Mundartautor den Bayerischen Dialektpreis, den Bayerischen Poetentaler und den Bayerischen Verdienstorden erhält, dann darf er sich als gesamtbayerischen Dichter betrachten. Wenn er allerdings ein Volksstück namens „Saupreißn“ schreibt, darf er sich nicht wundern, wenn die bundesweiten Preise eher dünn gesät sind. Dabei wird Fitzgerald Kusz noch heute bundesweit gespielt – vor allem natürlich sein erstes und erfolgreichstes Stück „Schweig, Bub!“ von 1976. Das Volksstück in der Tradition eines Ödön von Horváth oder einer Marieluise Fleißer um eine Konfirmation in Franken, bei der die kleinbürgerliche Verwandtschaft aufs Schönste und Derbste entgleist, weist durchaus biografische Bezüge auf. Am Nürnberger Theater wurde es seit seiner Uraufführung vor fast 50 Jahren rund 730 Mal gespielt und war so gut wie immer ausverkauft. Kein anderer lebender Dramatiker in Deutschland kann einen ähnlichen Rekord feiern. An diesen Erfolg des Erstlings konnten die zahlreichen anderen Volksstücke von Fitzgerald Kusz wie „Derhamm is derhamm“ (1980), „Sooch halt wos“ (1982), „Letzter Wille“ (1997) oder „Lametta“ (2010) nicht ganz anknüpfen, obwohl auch diese Stücke mit reichlich hinterfotzigem Humor bürgerliche Verhaltensweisen decouvrieren.
Fitzgerald Kusz gehört zur Generation der Achtundsechziger, will die verkrusteten Verhältnisse aufbrechen und verfasst als Student hochdeutsche Agitprop-Texte. Doch schon bald entdeckt er die Kraft, Schönheit und Wahrheit des Dialekts für sich und wird zu einem der führenden Vertreter der Mundartwelle der 1970er und 80er-Jahre. „Die Mundart ist das längst fällige Haar in der Suppe der Literatur. Ohne sie wäre unsere Sprache, die sich immer von der Mundart her erneuert hat, um vieles ärmer“, sagt Kusz. Der Autor stellt nicht mit verletzender Aggressivität bloß, sondern hinterfragt die Banalität des sogenannten gesunden Menschenverstandes mit seinen hohlen Sprachfloskeln. Die Mundart verlangsamt er absichtlich, damit ihr vieldeutiger Hintersinn wahrgenommen werden kann. Dabei sorgt seine eigenwillige Transkription des Fränkischen für zusätzliche Entschleunigung. Sie fordert nicht zum leisen Lesen, sondern zum lauten Sprechen auf. „Seine Volksnähe bleibt stets kritisch, distanziert, entlarvend; die Sprache benutzt er voller Spielfreude und subversiver Verschmitztheit wie die anarchischen Dada-Künstler vor gut hundert Jahren“, schreibt sein Mundartkollege Helmut Haberkamm über sein Vorbild.
Fitzgerald Kusz wurde als Rüdiger Kusz 1944 in Nürnberg geboren und feiert im November seinen 80. Geburtstag. Er wuchs im mittelfränkischen Forth, der heutigen Marktgemeinde Eckental auf und machte am Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg 1964 sein Abitur. In Erlangen studierte er Germanistik und Anglistik und ließ seinen Namen in Fitzgerald ändern. Das war sein Spitzname gewesen, weil er als junger Mann dem amerikanischen Präsidenten John F(itzgerald) Kennedy sehr ähnlich sah. Nach einem Jahr als Assistenzlehrer in England unterrichtete Kusz als Studienrat an der Peter-Vischer-Schule in Nürnberg, ehe er nach zehn Jahren den Schuldienst quittierte und seit 1982 als freier Schriftsteller tätig ist. Neben Theaterstücken und Mundartlyrik schreibt Kusz auch Erzählungen, Hörspiele und Drehbücher fürs Fernsehen. Um die Hochliteratur zu erden, wie er sagt, übersetzte er Rainer Maria Rilke, Hans Sachs, John Lennon und Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ ins Landnürnbergische. Neben seiner philologischen Liebe zur Sprache und zum heimischen Dialekt, zeichnen den Autor laut Hermann Glaser urfränkische Eigenschaften wie freundliche Hinterfotzigkeit, rebellische Anpassung und die Kunst der Untertreibung aus.
Dirk Kruse
Am sunndoochfräih wenn nu ka audo fährd/ Vuä dä roudn ambl schdäih und waddn:/ Des senn miä!
aktuell: Mehr vom halben Leben. Theaterstücke und Miniaturen. Verlag der Autoren. Frankfurt a. M., 2024
Der beste Kusz. Die schönsten Gedichte aus 50 Jahren. Ars vivendi. Cadolzburg, 22. Aug 2024