Während David Wagner seinen letzten Roman dem vergesslichen Vater widmete und zugleich die späten Jahre der Bundesrepublik Revue passieren ließ, geht es in seinem neuen Buch um eine Spurensuche, die quer durch die Türkei führt. „Verkin“ lautet der Titel, und so heißt auch die Protagonistin, die aus Istanbul kommt und zunächst als Transporteurin einer kalkweißen armenischen Katze nach Berlin in Erscheinung tritt. Der Ich-Erzähler trifft sie am Bosporus wieder und beginnt, Anteil an ihrem Leben zu nehmen und etwas über ihre armenische Familie zu erfahren, was immer wieder ins Fantastische zu schwappen scheint. So wurde der Ururgroßvater, ein Bankier, möglicherweise von einem türkischen Schuldner vergiftet. Seine Tochter, Verkins Großmutter, musste den syphilitischen Sohn einer Schmuckhändler-Dynastie heiraten, entging dem Völkermord von 1915 und bekam Kinder von vier verschiedenen Männern, nur nicht von ihrem Ehemann. Immer wieder war die Großfamilie den Drangsalierungen durch die türkische Regierung ausgesetzt. Das pulsierende Stadtgefüge Istanbuls, die lykische Küste, verlassene Thermalbäder, altmodische Speisewagen und die Landschaften an der Grenze zum Iran bilden den Hintergrund dieses wundersamen Mosaiks. Es geht um die Verführungskraft des Fremden. „Willkommen im türkischen Surrealismus“, wie es Verkin ausdrückt. (M. A.)
Auszeichnungen u. a.: Dedalus-Preis für Neue Literatur (2000),
Georg-K.-Glaser-Preis (2001), Stipendium Villa Aurora, Los Angeles, Stipendium des Deutschen Literaturfonds (2009), Preis der Leipziger Buchmesse (2013), Kranichsteiner Literaturpreis (2014), Bayerischer Buchpreis (2019), Bonner Stadtschreiber (2021).
Veröffentlichungen (zuletzt):
– „Romania“, Verbrecher Verlag, Berlin 2018
– „Der vergessliche Riese“, Roman, Rowohlt, Hamburg 2019
– „Verlaufen in Berlin“, Verbrecher Verlag, Berlin 2021
– „Alle Jahre wieder“, edition chrismon, Leipzig 2022
– „Ich geh‘ so gern durch diese Stadt. Die Berlin-Geschichten“, Rowohlt, Hamburg 2023
– „Verkin“, Roman, Rowohlt, Hamburg, August 2024